Hamsterkäufe in Deutschland ’22.

Jannis Dust
Ruth Rottwitt
Aline Vette
05. Mai 2022

Welche Lebensmittel wir wie stark hamstern und warum

Bilder von leeren Supermarktregalen gingen durch die Nachrichten, Expert*innen warnen vor Lebensmittelengpässen. Vor Kurzem empfahl die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, einen Notfallvorat für 14 Tage anzulegen. Handelsverbände raten von unbedachten Hamsterkäufen ab.

Ein Szenario, das an die Hamsterkäufe vor und während der Lockdowns durch die Corona-Pandemie erinnert. Grund: der Krieg in der Ukraine. Der größte Exporteur für Sonnenblumenöl und Weizen kann nicht mehr liefern und auch Russland stoppt seine Exporte. Das führt außerdem zu einer Erhöhung der Strompreise. Als Antwort darauf rationieren Supermärkte die Verkaufsmengen, um möglichst viele Kund*innen mit den gefragten Produkten zu versorgen.

Aber wie stark hamstern die Deutschen wirklich? Welche Lebensmittel werden besonders gern gekauft und was steckt hinter den vermehrten Vorratskäufen?

Marktforschungsunternehmen epap hat 367.490 Kassenbelege vom 01.04.2020 (Beginn des ersten Lockdowns) bis zum 31.03.2022 analysiert und eine Befragung vom 14.04. bis 30.04.2022 mit 502 Einkaufenden in Deutschland durchgeführt.

Die Key-Findings

  1. 90% der Befragten sind besorgt, dass die Lebensmittelpreise in nächster Zeit deutlich steigen; Frauen zeigen sich besorgter als Männer
  2. Im Vergleich zu den Einkäufen im April 2020 (Lockdown 1) verzeichnen Hefe (+5%) und Nudeln (+17%) ein Plus. Speiseöl und Mehl werden um je rund 14% weniger gekauft, als Grund wird zwar höheres Interesse aber geringere Verfügbarkeit vermutet (Quelle: analysierte Belege in der epap App).

Leere Regale bremsen die Hamsterkäufe

Anhand der digitalisierten Belege in der epap App wurde das Kaufverhalten pro Produktkategorie im Zeitverlauf nachvollzogen. Auf der Liste der Hamsterkäufer*innen stehen vor allem Nudeln und Hefe - vielleicht auch, weil sie im Gegensatz zu anderen beliebten Produkte weiterhin verfügbar sind. Im Vergleich zum ersten Lockdown im April 2020 werden mehr Nudeln (+17%) und Hefe (+5%) gekauft. Mehl (-15%), Speiseöl (-14%) und Toilettenpapier (-36,2%) stehen im Vergleich seltener auf den Kassenbelegen - ein Indiz für die zunehmenden Lieferengpässe dieser Produkte.

Das zeigt auch das Ergebnis der begleitenden epap- Umfrage: 81% der Befragten an, aufgrund leerer Regale nicht alle geplanten Produkte einkaufen zu können.

Lieber auf Nummer sicher gehen: der Vorrat der Deutschen

Mehr als jede*r Dritte achtet darauf, immer einen Vorrat an möglicherweise bald knappen Lebensmitteln im Haus zu haben (37%). Häufiger als üblich finden sich in den Vorratsschränken vor allem Mehl (24%), Speiseöl (25%), Toilettenpapier (17%) und Konserven (16%).

Konserven und Mehl stehen auf den Einkaufszetteln für den Frühling

Sonnenblumen- und Rapsöl werden als das “Toilettenpapier” von 2022 beschrieben. Auf Social Media ging die Sorge um Chips und Pommes viral. Fast ein Fünftel der Befragten (18%) plant - wenn möglich - vermehrt Speiseöl einzukaufen.

Weiter oben auf den Einkaufszetteln stehen jedoch Konserven (27%), Mehl (21%) und Toilettenpapier (16%) als Teile des empfohlenen Notfallvorrat, insofern sie im Geschäft verfügbar sind.

90% besorgt um steigende Lebensmittelpreise

Die Knappheit mancher Produkte und damit verbundene Preissteigerungen lösen in den Menschen Sorge aus und führen zu Hamsterkäufen.

Während die Sorge zukünftige Lebensmittelknappheit etwa die Hälfte der Befragten beschäftigt (45%), liegt die Besorgnis um daraus resultierende höhere Lebensmittelpreise (90%) deutlich darüber. Dabei zeichnet sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern ab: Frauen zeigen sich besorgter und wählen auf den 6er-Likert-Skalen häufiger die extreme Auswahlmöglichkeit (”stimme voll zu”).

Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München erklärt für die Tagesschau, warum Menschen in Krisen zu Hamsterkäufen neigen: "Ausnahmesituationen überfordern uns, machen uns Angst. Wir versuchen, die Situation zu kontrollieren. Und mit den 'Hamsterkäufen' simulieren wir Handlungsfähigkeit.”

Jede*r Zweite gibt 10-29% des Gehalts für Lebensmittel aus

Die Sorge um höhere Lebensmittelpreise hat einen guten Grund: sie bedeuten Abstriche in anderen Ausgaben wie der Freizeit. Dieser Aussage stimmt mehr als die Hälfte der Befragten eher zu (53%). Während die Hälfte der Teilnehmenden im April zwischen 10-29% des Gehalts für Lebensmittel ausgibt, liegt jede*r Dritte sogar bei 30-49%. In Kombination mit der Inflationsrate sowie steigenden Gas-, Strom- und Ölpreisen sorgt das für eine größere finanzielle Belastung der Deutschen.

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Über die Hamster-Studie

Für die Auswertung der Belegdaten wurden 367.490 digitalisierte Kassenbelege im Zeitraum April 2020 bis März 2022, die mindestens eines der Produkte Nudeln, Speiseöl, Mehl, Hefe oder Toilettenpapier beinhalten, analysiert. Der April 2020 (erster Lockdown) gilt als Basismonat, mit dem jeder weitere Monat unabhängig von der Anzahl der hinzugefügten Belege verglichen wurde.

An der quantitativen Befragung in der epap App vom 14. bis 30.04.2022 nahmen 502 incentivierte Einkaufende teil. Die Teilnehmenden beantworteten neun Fragen zu ihrem Einkaufsverhalten und ihrer Wahrnehmung der aktuellen Entwicklung aufgrund des Kriegs in der Ukraine. Für den Vergleich der Antworten nach Geschlecht wurden die Antworten faktorisiert, da männliche Befragte in der Umfrage überrepräsentiert waren. 77% der Befragten gehören der kaufstarken Zielgruppe zwischen 18 und 49 Jahren an.